von-Willebrand-Syndrom (VWS)

Unter allen vererbten Blutgerinnungsstörungen mit verlängerter Blutungszeit tritt das von-Willebrand-Syndrom am häufigsten auf. Rund 1% der Bevölkerung ist davon betroffen. Je nach Schweregrad/Typ der Erkrankung ist der sogenannte von-Willebrand-Faktor (VWF) vermindert (Typ 1 und 2), fehlt gänzlich (Typ 3: VWF Restaktivität <1%) und/oder ist in seiner Qualität eingeschränkt (Typ 2). Da der VWF u.a. den Blutgerinnungsfaktor-VIII transportiert, ist auch dieser meist mäßig bis stark vermindert.

Symptome

Je nach Typ des VWS fallen die Symptome mehr oder weniger schwer aus: angefangen von einer erhöhten Neigung zu Hämatomen und häufigem Nasenbluten, über eine verlängerte Regelblutung bei Frauen, bis hin zu schweren Gelenkblutungen mit Folgeschäden. Die Blutungsneigung ist beim von-Willebrand-Syndrom meist schleimhautbetont. D.h. neben häufigem und verlängertem Nasenbluten können auch Zahnfleisch- und/oder Gastrointestinalblutungen den Alltag beeinträchtigen.

Diagnose

Die Diagnose des VWS wird labortechnisch gestellt. Dabei werden folgende Werte bestimmt:

  • Gesamt-VWF-Antigen
  • VWF-Funktionsprüfung
  • Plasma-Faktor-VIII-Spiegel
  • aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT)

Sind all diese Werte gleichermaßen um etwa 15-60% vermindert, spricht man vom Typ 1 VWS. Kann kein VWF-Antigen festgestellt werden und besteht ein deutlicher Faktor-VIII-Mangel, spricht man vom Typ 3. Im Vergleich zu diesen Formen besteht beim Typ 2 ein qualitativer Mangel, der sich durch eine verminderte Konzentration an VWF-Multimeren äußert. Je nach funktioneller Veränderung des Faktors unterscheidet man beim Typ 2 wiederum vier Subtypen (2A, 2B, 2M, 2N).

 

Behandlung/Therapie

Tranexamsäure (Cyklokapron®)

Dieser Wirkstoff sorgt dafür, dass das gebildete Blutgerinnsel langsamer als gewöhnlich abgebaut wird, was zu einer verbesserten Festigkeit des gebildeten Thrombus führt. Daraus lässt sich schließen, dass für die Wirkung des Medikaments noch Restaktivität der Gerinnung bestehen muss. Angewandt wird es demnach bei milderen Typen, meist in Tablettenform für Schleimhautblutungen.

 

Desmopressin (DDAVP)

Dieses Medikament erhält man für zu Hause meist als praktischen Nasenspray. Die Wirkung beruht u.a. auf der Ausschüttung von gespeichertem von-Willebrand-Faktor, wodurch man kurzzeitig einen erhöhten Spiegel und somit eine schnellere Blutgerinnung erzielt (max. Wert nach etwa 50 min). Es eignet sich deshalb gut als Prophylaxe vor dem Sport oder bei kleineren medizinischen Eingriffen (z.B. Zahnarztbesuch).

 

Faktorkonzentrate

Ist kaum eine Restaktivität mehr vorhanden (Typ 3, 2B), ist es notwendig den fehlenden Faktor mittels Kurzinfusion zuzuführen. Dafür stehen verschiedene Faktorkonzentrate zur Verfügung, die alle zwei bis drei Tage über die Venen verabreicht werden müssen.

 

Genetik & Vererbung

Vererbt wird das von-Willebrand-Syndrom unabhängig von den Geschlechtschromosomen (=autosomaler Erbgang). Das bedeutet, dass sowohl Frauen als auch Männer betroffen sein können. Während beim Typ 1 nur eine Erbanlage fehlerhaft sein muss, damit die Krankheit ausbricht, müssen bei den schweren Formen beide Genanlagen defekt sein. Das ist der Grund, warum das VWS in seiner leichten Form (60-80% der Diagnosen) häufiger und in den schweren Formen nur sehr selten auftritt.

 

Literatur:

  • Schneppenheim R./ Budde U. (2010): von Willebrand-Syndrom und von Willebrand-Faktor: aktuelle Aspekte der Diagnostik und Therapie. Bremen: UNI-MED-Verlag 3. Auflage
  • Kurnik K./ Von Depka Prondzinski M. (2009): Von-Willebrand-Syndrom. Ein Leitfaden für Patienten. Stuttgart: TRIAS Verlag
  • Goodeve A./James P. (2014): von Willebrand Disease, Online unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK7014/